Transversal: Sektionen 20-23
Sektion 20: Der Französischunterricht an der Kreuzung unterschiedlicher Forschungsrichtungen: "Sprache" durch digitale Medien sichtbar machen
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Lukas Eibensteiner 1, Amina Kropp 1,
Johannes Müller-Lancé 1, Claudia Schlaak 2
1Universität Mannheim,
2Universität Mainz/Kassel
eibensteiner@phil.uni-mannheim.de ; kropp@phil.uni-mannheim.de ; mueller-lance@phil.uni-mannheim.de ; cschlaak@uni-mainz.de
Sektion 20
Der Französischunterricht an der Kreuzung unterschiedlicher Forschungsrichtungen: "Sprache" durch digitale Medien sichtbar machen
Angesichts des Wandels von der analogen zu einer digitalen Welt sollten verschiedene Forschungsrichtungen, die sich mit Sprache/n befassen, mit ihrem jeweiligen Potenzial noch einmal neu betrachtet und vor allem stärker miteinander verknüpft werden. Im Kontext des Fremdsprachenunterrichts kommen nicht nur fachdidaktische, sondern auch unterschiedliche sprachwissenschaftliche Forschungsrichtungen zusammen, zum Beispiel bei der Verknüpfung von Ansätzen aus der Mehrsprachigkeitsdidaktik und der linguistic-landscape-Forschung. Bei beiden nimmt – neben vielen anderen Aspekten – die Sichtbarkeit bzw. Wahrnehmung von Sprache/n eine bedeutende Rolle ein. Die Zweit- und Drittspracherwerbsforschung (Hufeisen 2010) sowie Vertreter der Mehrsprachigkeitsdidaktik [z.B. Meißner/Reinfried (1998), aufgeklärte Mehrsprachigkeit (Reimann 2016), Interkomprehensionsdidaktik (Klein/Stegmann 2000)] plädieren für einen sprachvernetzenden Unterricht, der das sprachliche Potenzial der Lernenden nicht nur wahrnehmbar, sondern durch die Integration sprachlicher Vorkenntnisse, auch von Herkunfts- und Familiensprachen, gewinnbringend nutzen will (Fernández-Amann/Kropp/Müller-Lancé 2015). Auch die linguistic-landscape-Forschung (Cenoz/Gorter 2006; Gorter/Marten/Van Mensel 2019; Castilló Lluch/Kailuweit/Pusch 2019) zeigt mit ihren Erkenntnissen, dass es wichtig ist, die sprachliche Diversität in Ländern, z.B. in Frankreich mit seinen zahlreichen endogenen (Französisch, Okzitanisch, Elsässisch usw.) und exogenen Sprachen (Maghrebinisches Arabisch, Türkisch, Englisch usw.), sichtbar zu machen (Kremnitz 2015).
Der Französischunterricht kann inzwischen mittels digitaler Medien den Zugang zur Fremdsprache bzw. zu der sprachlichen Vielfalt im Land der Fremdsprache auch ohne unmittelbaren Kontakt zu einem fremdsprachlichen Gegenüber anhand konkreter Beispiele (critical incidents, Fotos usw.) vermitteln. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, Materialien der linguistic-landscape-Forschung sowohl für die kritische Reflexion von Sprachkontaktsituationen (z.B. im Hinblick auf die sprachliche Situation autochthoner und allochthoner Minderheiten), die Behandlung inter- bzw. transkultureller Fragestellungen wie auch für spracherwerbsbezogene Aufgabenstellungen (z.B. Grammatik- und Wortschatzerwerb), die mehrsprachige Potenziale nutzen, einzusetzen. Die Digitalisierung bietet hierbei insofern neue Spielräume, dass sie etwa die Nutzung von Medien und Erstellung von Unterrichtsmaterialien wesentlich vereinfacht (vgl. Bastian/Aufenanger 2017, Larbig/Spang 2017) und die Dokumentation der Mehrsprachigkeit mittels authentischer Eindrücke aus dem zielsprachlichen Land, beispielsweise durch die Analyse von Blogs oder Instagram-Profilen, näher an die Lernenden heran holt. Auch etwa die Nutzung von Google Maps und die Betrachtung von zweisprachigen Verkehrsschildern werden mittels digitaler Medien auf Knopfdruck bzw. Mausklick ermöglicht.
Die Sektion möchte sich sowohl linguistischen wie auch fachdidaktischen und explizit praxisorientierten Fragestellungen widmen und den Austausch zwischen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und der konkreten schulischen Praxis vor dem Hintergrund der Digitalisierung fördern. Für die Sektionsarbeit ergeben sich daher unter anderem folgende Themenschwerpunkte bzw. Fragestellungen:
- Welche Chancen bietet die Digitalisierung zur Verknüpfung der unterschiedlichen Forschungsrichtungen?
- Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Mehrsprachigkeitsdidaktikern und linguistic-landscape-Forschern im Zeitalter der Digitalisierung mit ihren Möglichkeiten und Werkzeugen produktiv gestaltet werden?
- Welche Möglichkeiten der Sprachvernetzung im Französischunterricht (sowohl schulische als auch herkunftsbedingte Mehrsprachigkeit) ergeben sich durch die Digitalisierung?
- Welche Veränderungen ergeben sich durch die Digitalisierung im Bereich der Zweit- und Drittspracherwerbsforschung?
- Wie verändert sich die linguistic-landscape-Forschung (sowohl aus einer fachwissenschaftlichen als auch aus einer fachdidaktischen Perspektive) durch die digitale Welt?
- Inwiefern kann der Französischunterricht „authentischer“ gemacht werden durch Erkenntnisse der linguistic-landscape-Forschung hinsichtlich digitaler Formate? Wie werden Sprachkontaktsituationen im Französischunterricht dadurch zugänglicher gemacht? Wie kann die Nutzung neuer Medien als Werkzeug eines authentischen Französischunterrichts konkret aussehen?
- Inwiefern können Mehrsprachigkeitsdidaktik und linguistic-landscapes im Kontext des inklusiven Lehrens und Lernens von der Digitalisierung profitieren?
Bitte reichen Sie Ihre Beitragsvorschläge auf Deutsch oder Französisch bis 15.01.2020 ein.
Literaturverzeichnis
Bastian, Jasmin/Aufenanger, Stefan (eds.) (2017): Tablets in Schule und Unterricht. Forschungsmethoden und -perspektiven zum Einsatz digitaler Medien, Wiesbaden, Springer.
Castilló Lluch, Mónica/Kailuweit, Rolf/Pusch, Claus D. (eds.) (2019): Linguistic Landscape Studies: The French Connection, Freiburg i.Br., Rombach.
Cenoz, Jasone/Gorter, Durk (2006): “Linguistic Landscape and Minority Languages”, in: International Journal of Multilingualism 3/1, 67–80.
Fernández Ammann, Eva Maria/Kropp, Amina/Müller-Lancé, Johannes (eds.) (2015): Herkunftsbedingte Mehrsprachigkeit im Unterricht der romanischen Sprachen, Berlin, Frank & Timme.
Gorter, Durk/Marten, Heiko F., Van Mensel, Luk (2019): “Linguistic Landscapes and Minority Languages“, in: Gabrielle Hogan-Brun/Bernadette O’Rourke (eds.), The Palgrave Handbook of Minority Languages and Communities, London, Palgrave MacMillan, 481–506.
Hufeisen, Britta (2010): “Theoretische Fundierung multiplen Sprachenlernens – Faktorenmodell 2.0.“, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 36, 200–207.
Kremnitz, Georg (2015): Frankreichs Sprachen, Berlin/München/Boston, De Gruyter.
Klein, Horst/Stegmann, Tilbert (2000): Die sieben Siebe - Romanische Sprachen sofort lesen können, Aachen, Shaker.
Larbig, Torsten/Spang, André (eds.) (2017): Digitale Medien für Unterricht, Lehrerjob und Schule, Berlin, Cornelsen.
Li, Li (2017): New technologies and language learning, London, Palgrave Macmillan Education.
Meißner, Franz-Joseph/Reinfried, Marcus (eds.) (1998): Mehrsprachigkeitsdidaktik. Konzepte, Analysen, Lehrerfahrungen mit romanischen Fremdsprachen, Tübingen, Narr.
Reimann, Daniel (2016): “Aufgeklärte Mehrsprachigkeit – Sieben Forschungs- und Handlungsfelder zur (Re-)Modellierung der Mehrsprachigkeitsdidaktik“, in: Michaela Rückl (ed.), Sprachen und Kulturen vermitteln und vernetzen. Beiträge zu Mehrsprachigkeit und Inter-/Transkulturalität im Unterricht, in Lehrwerken und in der Lehrer/innen/bildung, Münster/New York, Waxmann, 15–33.
Reinfried, Marcus/Volkmann, Laurenz (2012): Medien im neokommunikativen Fremdsprachenunterricht: Einsatzformen, Inhalte, Lernerkompetenzen, Frankfurt am Main, Lang.
Mi., 23.09.2020 | Do., 24.09.2020 | Fr., 25.09.2020 | Sa., 26.09.2020 |
| ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr |
Sektionsarbeit 9.00-9.45 Uhr | Sektionsarbeit 9.00-9.45 Uhr | Sektionsarbeit 9.00-9.45 Uhr | |
Kaffeepause | Kaffeepause | Kaffeepause | |
Sektionsarbeit 11.00-12.30 Uhr 11.00-11.45 Uhr Nicole Seitz: Der Effekt digitaler Medien im Fremdsprachenunterricht 11.45-12.30 Uhr Anja Hastricht: Authentizität durch WebQuests im Französischunterricht | Sektionsarbeit 11.00-11.45 Uhr | Sektionsarbeit 11.45 Uhr | |
Mittagspause | Mittagspause |
| |
Plenarvortrag
| Sektionsarbeit 14.30-15.15 Uhr | ||
ab 14.30 Uhr | Kaffeepause | Kaffeepause | |
Treffen der SektionsleiterInnen
| Sektionsarbeit 16.30-17.15 Uhr | Plenarvortrag | |
Eröffnung | Kulturprogramm: | Mitgliederversammlung | |
Empfang | Abendessen der Sektionen | Conference Dinner |
Sektion 21: Au carrefour de l’expérience, l’expérience au carrefour. Zum Rekurs auf Erfahrung und Erfahrungswissen im Frankreich der Frühen Neuzeit
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Isabelle Fellner, Christina Schaefer
Freie Universität Berlin
isafellner@zedat.fu-berlin.de ; christina.schaefer@fu-berlin.de
Sektion 21
Au carrefour de l’expérience, l’expérience au carrefour. Zum Rekurs auf Erfahrung und Erfahrungswissen im Frankreich der Frühen Neuzeit
Die Berufung auf Erfahrung bzw. Erfahrungswissen (lat. experientia, frz. expérience, engl. experience) hat in Philosophie, Wissenschaft, aber auch Literatur eine lange Tradition (Veneziani 2002; Esposito/Porro 2004; Fidora/Lutz-Bachmann 2009). Schon bei Aristoteles zeigen sich dabei zwei Aspekte von Erfahrung: zum einen Erfahrung im Sinne eines alltagspraktischen Wissens, eines knowing how, das nicht aus Büchern, sondern in der Praxis des täglichen Lebens und Tuns erworben wird und eng mit jener Handlungsklugheit (phronesis, lat. prudentia) verbunden ist, die laut Aristoteles einen guten Arzt ebenso auszeichnet wie einen guten Staatsmann, Heerführer oder Haushälter. Zum anderen verhandelt Aristoteles die (Sinnes-)Erfahrung (empeiria) aber auch als genuine Basis der Wissenschaften (s. Analytica posteriora II,19).
Durch das gesamte Mittelalter hindurch verbanden sich mit dem Begriff experientia (bzw. experimentum) beide Aspekte (Röckelein 2012). Erst in der Frühen Neuzeit scheint die Kategorie der Erfahrung dann an einen Scheideweg zu gelangen, wenn sich im Zuge eines aufstrebenden Beobachtungswissens (observatio) ein Konzept von empirischem Wissen herausbildet, das sich zunehmend von alltäglicher, lebenspraktischer Erfahrung abgrenzt und, im Kontext der sich herausbildenden Naturwissenschaften, eine eigene begriffsgeschichtliche Karriere ansteuert (Pomata 2011). Die handlungslogisch fundierte experientia (bzw. expérience) verlor damit aber keineswegs an Bedeutung, im Gegenteil, hatte sie doch ihrerseits im Humanismus in der Nachfolge Petrarcas eine deutliche Aufwertung erfahren und wirkte in diesem Sinne, nicht zuletzt in den Ethiken von gentiluomo und honnête homme, bis weit ins 17. Jahrhundert und darüber hinaus fort. In der gesamten Tradition seit der Antike zeigt sich im Übrigen die Vorstellung, dass experientia keineswegs nur im eigenen Erleben, sondern auch durch Erfahrungen anderer, ja sogar durch die Lektüre kanonischer Texte und auctores (z.B. in Form von Exempla und Anekdoten) erworben werden kann. Vor diesem Hintergrund ist das seit der Antike mit dem Lob der Erfahrung verbundene Lob des praktischen Wissens, das sich polemisch abgrenzt vom ‚bloßen Bücherwissen‘, seinerseits als Topos (im Sinne einer rekurrenten literarischen Figur) zu erkennen und kritisch zu reflektieren.
Während die jüngere Wissenschaftsgeschichte vornehmlich den für die Ausbildung der modernen Wissenschaften so zentralen zweiten, mit Beobachtungswissen assoziierten Begriff fokussiert hat (Dear 2006, Daston/Lunbeck 2011), hat die Frage, was nach der begrifflichen Ausdifferenzierung aus experientia im Sinne eines lebenspraktischen knowing how geworden ist bzw. welche Rolle und Funktion ihr noch zukommt, in der Forschung deutlich weniger Beachtung gefunden. Dass die Idee der alltagspraktischen Erfahrung aber keineswegs aus der Diskussion verschwindet, davon zeugt nicht nur Montaignes vieldiskutierter Essay „De l’expérience“ (III, 13), in dem sich zudem die Schnittstellen zum medizinischen Diskurs sowie die Betonung der spezifisch eigenen Erfahrung manifestieren (Montaigne spricht von „l’expérience [...] que nous avons de nous mesme“).
Auffällig ist insbesondere, wie sehr gerade schreibende Frauen, vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert, regelmäßig auf die Kategorie der Erfahrung rekurrieren, sei es um ihre Argumente zu untermauern, ihre Expertise auf dem jeweiligen Gebiet zu demonstrieren oder aber überhaupt die Tatsache ihres Schreibens zu rechtfertigen. Die (eigene) Erfahrung gehört offenbar zu den legitimen Domänen weiblichen Wissens, auf die sich Frauen auch dann berufen können, wenn ihnen der Zugang zu Büchern und Bildung verwehrt ist. Gerade das strukturelle ‚Problem‘ des Erfahrungswissens – die Tatsache, dass es nicht ohne Weiteres vom Erfahrungssubjekt ablösbar, nicht ohne Verluste vermittelbar ist (Schaefer 2019) – scheint für die femmes de lettres eine Chance zu bieten, denn ihre Erfahrung kann ihnen niemand nehmen, sie ist ihr Eigen. Entsprechend stützt sich schon Christine de Pizan in ihrer Argumentation gegen die misogynen Positionen zeitgenössischer Autoren auf ihre eigene Erfahrung als Frau. In der aufklärerischen Pädagogik der Madame d’Épinay schließlich trifft der lebenspraktische expérience-Begriff erneut mit dem beobachtungsbasierten zusammen, z.B. wenn in den Conversations d’Émilie (1782) ein Teil der pädagogischen Lektionen für die Tochter im Lernen aus Alltagserfahrungen besteht, ein anderer hingegen aus von der Mutter für die Tochter arrangierten ‚Experimenten‘, etwa zum physikalischen Verhalten von Wasser.
Die Sektion ist interdisziplinär (literaturwissenschaftlich und wissensgeschichtlich) angelegt und untersucht die Rekurse auf Erfahrung und Erfahrungswissen in französischen Texten der Frühen Neuzeit in ihrer Vielfalt. Sie richtet den Blick gezielt auf die potenziell fortwirkenden Verflechtungen, Schnittstellen und Kreuzungspunkte der beiden genannten Begriffe von expérience.
Mögliche Fragen lauten: Inwiefern leben neben, aber auch in dem jüngeren Konzept empirischen Wissens Aspekte des traditionellen experientia-Begriffs fort? In welchen Texten, etwa im medizinischen Diskurs des 17. Jahrhunderts, zeichnet sich die Trennung der beiden Begriffe ab? Wie ist der Rekurs auf die Kategorie der Erfahrung jeweils für die Argumentation funktionalisiert? Inwiefern bildet gerade die écriture féminine ein Feld, in dem der Rekurs auf die lebenspraktische Erfahrung eine kontinuierlich wichtige Rolle spielt, und ab wann hält der jüngere, mit observation verbundene expérience-Begriff Einzug in das weibliche Schreiben? Welche Rolle spielt es für weibliche wie männliche Autoren, dass Erfahrung ein elusives, nicht ohne Weiteres diskursivierbares Wissen ist: Wo zeigen sich die Grenzen der Vermittelbarkeit von Erfahrung, wo werden sie (gezielt) überspielt? Genauer zu beleuchten ist auch der carrefour von Erfahrungs- und Bücherwissen, an dem sich deutlich das Paradox einer Theorie der Praxis (i.e. der praktischen Erfahrung) abzeichnet, die in ihrer eigenen Praxis dem Bücherwissen weit mehr verpflichtet ist, als sie nach außen zuzugeben bereit ist.
Vorschläge für Beiträge (max. 300 Wörter), vorzugsweise in deutscher oder französischer Sprache, werden erbeten an: isafellner@zedat.fu-berlin.de, christina.schaefer@fu-berlin.de .
Literaturverzeichnis
Daston, Lorraine/Lunbeck, Elizabeth, Hg. (2011), Histories of Scientific Observation, Chicago: University of Chicago Press.
Dear, Peter (2006), „The Meanings of Experience“, in: The Cambridge History of Science 3: Early Modern Science, hg. von Katharine Park und Lorraine Daston, Cambridge: 106–131.
Esposito, Costantino/Pasquale Porro, Hg. (2004), L’esperienza/L’expérience/Die Erfahrung/Experience, special issue Quaestio: annuario di storia della metafisica 4.
Fidora, Alexander/Lutz-Bachmann, Matthias, Hg. (2009), Erfahrung und Beweis. Die Wissenschaften von der Natur im 13. und 14. Jahrhundert: Experience and Demonstration. The Sciences of Nature in the 13th and 14th Centuries, München: Oldenbourg Akademieverlag.
Pomata, Gianna (2011), „Observation Rising: Birth of an Epistemic Genre, 1500–1650“, in: Histories of Scientific Observation, hg. von Lorraine Daston und Elizabeth Lunbeck, Chicago/London: University of Chicago Press, 45–80.
Röckelein, Hedwig Hg. (2012), Experten der Vormoderne zwischen Wissen und Erfahrung (= Das Mittelalter 17,2), Berlin: Akad.-Verlag.
Schäfer, Christina (2019), „Esperienza. Zur Diskursivierung von Erfahrungswissen in Leon Battista Albertis Libri della famiglia“, Working Paper No. 15/2019 des SFB 980 Episteme in Bewegung, Freie Universität Berlin, ISSN 2199 – 2878: http://www.sfb-episteme.de/Listen_Read_Watch/Working-Papers/No_15_Schaefer_Esperienza/Working-Paper-Nr_-15_Schaefer.pdf
Veneziani, Marco Hg. (2002), Experientia: X colloquio internazionale, Roma, 4–6 gennaio 2001. Atti, Firenze, Olschki.
Mi., 23.09.2020 | Do., 24.09.2020 | Fr., 25.09.2020 | Sa., 26.09.2020 |
| ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr |
Sektionsarbeit
| Sektionsarbeit
| Sektionsarbeit
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Kaffeepause | Kaffeepause | Kaffeepause | |
Sektionsarbeit 11.00-12.30 Uhr | Sektionsarbeit | Sektionsarbeit 11.00-12.30 Uhr | |
Mittagspause | Mittagspause | Mittagspause | |
Plenarvortrag
| Sektionsarbeit | 12.30-13.00 Uhr | |
ab 14.30 Uhr | Kaffeepause | Kaffeepause | |
Treffen der SektionsleiterInnen
| Sektionsarbeit
| Plenarvortrag | |
Eröffnung | Kulturprogramm: | Mitgliederversammlung |
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Empfang | Abendessen der Sektionen | Conference Dinner |
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Sektion 22: Natur, Umwelt und Ökokritik in den frankophonen Literaturen und Kulturen
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Marie-Therese Mäder, Gisela Febel
Universität Bremen
mmaeder@uni-bremen.de ; febel@uni-bremen.de
Sektion 22
Natur, Umwelt und Ökokritik in den frankophonen Literaturen und Kulturen
Seit den 1990er Jahren lässt sich ein verstärktes Interesse an ökologischen Fragen beobachten – ausgelöst durch die direkten Folgen der globalen Erderwärmung (starke Wetterextreme, steigende Meeresspiegel, Schmelzen der Gletscher, Verschiebung von Klima- und Vegetationszonen) und die Vernichtung der Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Zuletzt haben die weltweit stattfindenden Fridays for Future darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns an einem Scheideweg befinden. Während sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit Mensch-Umwelt-Beziehungen zunächst auf den anglophonen Raum konzentriert hat und als neuer interdisziplinärer Forschungszweig der US-amerikanischen Literaturwissenschaft unter dem Stichwort „Ecocriticism“ hervorgegangen ist (vgl. Buell 1995), werden die theoretischen Ansätze dieses aufstrebenden Wissenschaftsfeldes nun auch zunehmend in Europa diskutiert. Für den frankophonen Bereich sind die Arbeiten des Belgiers Pierre Schoentjes (2015) und der Kanadierin Stéphanie Posthumus (2017) wegweisend. Schoentjes ist selbst literarisch tätig und hat 2015 den prix Vossaert für sein ökopoetisches Essai Wildproject bekommen. Unter Berücksichtigung philosophischer Traditionslinien (Serres 1992, 2000; Latour 1999; Guattari 1989; Schaeffer 2011) hat Posthumus ihrerseits Elemente einer französischen Variante ökokritischer Ansätze (‚French Ecocritique‘) identifiziert, um sie auf eine Reihe von Gegenwartsromanen anzuwenden. Schließlich haben komparatistische und postkoloniale Impulse das Feld in den letzten fünfzehn Jahren noch einmal grundlegend erweitert. Sowohl räumlich, indem die karibischen, subsaharischen, kanadischen und lateinamerikanischen Literaturen in den Blick genommen werden, als auch thematisch, indem die Zusammenhänge zwischen kolonialer Unterdrückung und ungleicher Verteilung der Ressourcen in den Fokus rücken. Vor diesem Hintergrund ist auch das Aufkommen von Arbeiten einzuordnen, die die beiden Themenkomplexe Natur und Umwelt mit Theorien der Diaspora, Vertreibung, Hybridisierung sowie Globalisierung verbinden. Erstaunlich ist dabei, dass ökokritische Ansätze bislang kaum in der deutschsprachigen Romanistik wahrgenommen worden sind. Anders als in der Germanistik (Schmitt/Solte-Gresser 2017) und der Anglistik/Amerikanistik (Gersdorf/Mayer 2006), wo sie mittlerweile als fest etabliert gelten. Ausgehend von diesem Desideratum möchte die Sektion neben einer Bestandsaufnahme aktueller Diskurse von écocritique und écopoétique, die historisch gewachsenen Bezüge zwischen Natur, Umwelt und Mensch ausloten und das Potential ökokritischer Ansätze in den frankophonen Literaturen anhand der älteren wie auch der neueren Romanproduktion diskutieren. Insbesondere bieten sich Beiträge über engagierte Autor*innen aus postkolonialen Räumen an wie u.a. Raphaël Confiant und Louis Boutrin (Chronique d’un empoisonnement annoncé, 2007), Lucie Pradel (L’âme du monde. Pour une écocritique du patrimoine culturel, 2017), Jacques Roumain (Gouverneurs de la rosée, 1944) oder Alain Mabanckou (Verre cassé, 2005), Beiträge über Dystopien der Naturzerstörung wie Karoline Georges’ Roman Sous béton (2011) oder über alternative Utopien wie Felwine Sarrs Afrotopia (2016) sowie ökokritische Neuinterpretationen historischer und gegenwärtiger Texte von den histoires naturelles (Thibault de Chanvalons Voyage à la Martinique, 1763; Félix Longins Voyage à la Guadeloupe, 1848) über J.M.G. Le Clézios Landschaftsbeschreibungen (La Quarantaine, 1995) bis hin zu Maryse Condés Naturmetaphorik (Traversée de la Mangrove, 1989). Der Schwerpunkt der Sektion liegt auf literatur- und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen. Beiträge, die die Thematik in sprachwissenschaftliche oder fachdidaktische Kontexte einbinden, sind jedoch gleichermaßen willkommen. Die Veröffentlichung eines Tagungsbandes ist geplant.
Literaturverzeichnis
Boucher, James/Laborde, Cynthia (dir.) (2019), Alternative Francophone, vol. 2 (4), Nature, environnement et écologie. Pour une approche écocritique de la littérature francophone.
Buell, Lawrence (2006), The Future of Environmental Criticism. Environmental Crisis and Literary Imagination, Malden, Blackwell.
Buell, Lawrence (1995), The Environmental Imagination. Thoreau, Nature Writing, and the Formation of American Culture, Cambridge, Belknap.
Bühler, Benjamin (2016), Ecocriticism. Grundlagen – Theorien – Interpretationen, Stuttgart, Metzler.
Confiant, Raphaël/Boutrin, Louis (2007), Chronique d’un empoisonnement annoncé. Le scandale du Chlordécone aux Antilles françaises, Paris, L’Harmattan.
David, Sylvain/Vadean, Mirella (dir.) (2014), La pensée écologique et l’espace littéraire, Montréal, Université du Québec à Montréal.
Deloughrey, Elizabeth/Handley, George B. (ed.) (2011), Postcolonial Ecologies. Literatures oft he Environment, Oxford, Oxford Univ. Press.
Ferry, Luc (1992), Le nouvel ordre écologique. L’arbre, l’animal et l’homme, Paris, Grasset.
Finch-Race, Daniel/Posthumus, Stéphanie (ed.) (2017), French Ecocriticism. From the Early Modern Period to the Twenty-First Century, Frankfurt/Main, Peter Lang.
Gersdorf, Catrin/Mayer, Sylvia (ed.) (2006), Nature in Literary and Cultural Studies. Transatlantic Conversations on Ecocriticism, Amsterdam, Rodopi.
Heise, Ursula (2013), „Ecocriticism/Ökokritik”, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, 5. aktual. u. erw. Aufl., Stuttgart, Metzler, 128-129.
Guattari, Félix (1989), Les trois écologies, Paris, Galilée.
Latour, Bruno (1999), Politiques de la nature. Comment faire entrer les sciences en démocratie, Paris, La Découverte.
Posthumus, Stéphanie (2017), French Écocritique. Reading Contemporary French Theory and Fiction ecologically, Toronto, UP Toronto.
Pradel, Lucie (2017), L’âme du monde. Pour une écocritique du patrimoine culturel, Paris, Hermann.
Schaeffer, Jean-Marie (2011), Petite écologie des études littéraires. Pourquoi et comment étudier la littérature?, Vincennes, Thierry Marchaisse.
Schmitt, Claudia/Solte-Gresser, Christiane (Hg.) (2017), Literatur und Ökologie. Neue literatur- und kulturwissenschaftliche Perspektiven, Bielefeld, Aisthesis.
Schoentjes, Pierre (2015), Ce qui a lieu. Essai d’écopoétique, Marseille, Wildproject.
Serres, Michel (2000), Retour au contrat naturel, Paris, Bibliothèque nationale de France.
Serres, Michel (1992), Le contrat naturel, Paris, Flammarion.
Suberchicot, Alain (2012), Littérature et environnement. Pour une écocritique comparée, Paris, Champion.
Trivisani-Moreau, Isabelle/Postel, Philippe (2019) (dir.), Natura in fabula. Topiques romanesques de l’environnement, Leiden/Boston, Brill Rodopi.
Zapf, Hubert (2016), Handbook of Ecocriticism and Cultural Ecology, Berlin/Boston, De Gruyter.
Mi., 23.09.2020 | Do., 24.09.2020 | Fr., 25.09.2020 | Sa., 26.09.2020 |
| ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr |
Sektionsarbeit 9.00-9.15 Uhr | Sektionsarbeit 8.45-9.00 Uhr 10.15-10.30 Uhr | Sektionsarbeit 9.00-9.45 Uhr, Keynote 3 avec discussion: | |
Kaffeepause | Kaffeepause | Kaffeepause | |
Sektionsarbeit 11.45-12.00 Uhr | Sektionsarbeit | Sektionsarbeit 11.00-12.30 Uhr 11.00-11.15 Uhr Iva Zunjic : La vocation écologique dans l’œuvre de Le Clézio 11.15-11.30 Uhr Hélène Destrempes: Conscience écologique et rapports écopoétiques dans l’œuvre de Rita Mestokosho et Jean-Marie Le Clézio 11.30-11.45 Uhr Muguras Constantinescu: Traduire la dimension écologique des livres de Le Clézio 11.45-12.00 Uhr Discussion 12.00-12.15 Uhr Zeinab Golestani: A la recherche de la page-paysage dans Nervures de Hamid Tibouchi 12.15-12.30 Uhr Clôture | |
Mittagspause | Mittagspause |
| |
Plenarvortrag
| Sektionsarbeit 14.30-14.45 Uhr | ||
ab 14.30 Uhr | Kaffeepause | Kaffeepause | |
Treffen der SektionsleiterInnen
| Sektionsarbeit 16.30-16.45 Uhr | Plenarvortrag | |
Eröffnung | Kulturprogramm: | Mitgliederversammlung | |
Empfang | Abendessen der Sektionen | Conference Dinner |
Sektion 23: Die starke Farbe Blau
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Angelica Rieger, Liane Ströbel
RWTH Aachen
Angelica.Rieger@rwth-aachen.de, Liane.Stroebel@ifaar.rwth-aachen.de
Sektion 23
Die starke Farbe Blau
Keine andere Farbe ist so vielfältig, keine weckt so viele Assoziationen und keine bietet so viele Interpretationsebenen. Ins Französische kam sie erst spät als Entlehnung aus dem Niederfränkischen (blao). Aus diachroner Perspektive werden wir uns ihre Entwicklung vom Mittelalter bis heute und ihre aktuelle Kraft ansehen. Unser Weg wird vom Königsblau zum Blau als Farbe Europas führen; aus synchroner Sicht werden wir das weite Assoziationsfeld analysieren, die ganze Spanne an Kollokationen, idiomatischen Ausdrucksformen und Redewendungen, den Einsatz der Farbe Blau in der Werbung, im Marketing, im Kino und der Kunst des 21. Jahrhunderts, bis hin zur Symbolfunktion als Farbe des Nationaltrikots der französischen Nationalmannschaft und der Flagge Europas.
Aus diatopischer Perspektive beherrscht das Blau des Meeres einen nicht nur tiefsymbolischen Raum, sondern auch einen zentralen kulturellen und sprachlichen Schmelzpunkt, eine Enklave mehrerer romanischer Sprachen: die Côte d’Azur der impressionistischen Maler, später der Exilsuchenden der Weltkriege, und heute begegnet sich dort die internationale Kinowelt.
Angesichts solch vielschichtiger Beziehungen und Facetten ist es legitim, sich zu fragen, wie sich die Farbe Blau als Logo des Unternehmens Europa durchgesetzt hat und wie stark darüber hinaus ihre Integrationsmacht sein mag? Diese Fragen führen uns zu folgender Hypothese: Die Symbolkraft der Farben ist an die Bildung kultureller Identitäten gebunden. Und in diesem Prozess besitzt die Farbe Blau einen besonderen Stellenwert und eine besondere Machtposition. Wird die inhärente Kraft der Farbe Blau zur Einigung Europas beitragen? Wie und warum? Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die zentrale kulturelle, sprachliche und künstlerische Bedeutung der Farbe Blau als Repräsentantin der Idee und Einheit Europas interdisziplinär zu diskutieren.
Wir appellieren deshalb an Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaftler, Historiker und Kunsthistoriker, sich in ihren Reflexionen allgemeiner oder punktuellerer Natur mit uns auf den Entscheidungsweg zu einem besseren Verständnis der Farbe Blau zu begeben und mit uns nach Antworten auf diese Fragen zu suchen.
Literaturverzeichnis
Costal de Beauregard, Raphaëlle (2009), Cinéma et couleur, Paris, Houdiart Michel EDS.
de Saussure, Louis (2014), “Remarques sur la distribution morphologique des termes basiques de couleur en français”, in: Travaux de linguistique, 69, 77-90.
Gage, John (2008), Couleur et culture. Usages et significations de la couleur de l’Antiquité à l’abstraction, London, Thames & Hudson.
Kleiber, Georges (2008), “Adjectifs de couleur et gradation: Une énigme très colorée”, in: Travaux de Linguistique, 55, 9-44.
Lejeune, Sévérine (2006), Parlons couleur ! langage – codes – création, Aix-en-Provence, Edisud.
Pastoureau, Michel et Simonnet, Dominique (2015), Les couleurs expliquées, Paris, Seuil.
Reboul, Anne (2015), “A new look on the Sapir-Whorf hypothesis on colours, based on neuroscientific data”, in: Bogushevskaya V & E. Colla, Thinking colours. Perception, translation and representation. Cambridge, Cambridge Scholars Publishing.
Varichon, Anne (2000), Couleurs. Pigments et teintures dans les mains des peuples, Paris, Seuil.
Mi., 23.09.2020 | Do., 24.09.2020 | Fr., 25.09.2020 |
| ab 8.00 Uhr | ab 8.00 Uhr |
Sektionsarbeit 9.00-9.30 Uhr | Sektionsarbeit 9.00-9.30 Uhr | |
Kaffeepause | Kaffeepause | |
Sektionsarbeit 11.00-12.30 Uhr 11.00-11.30 Uhr Sara Izzo (Bonn): Mediterrane Variationen in Azur in Mario Scalesis Poèmes d’un maudit 11.30-12.00 Uhr Hélène Fau (Saarbrücken): Le bleu en gestation dans la poésie de Jean-Michel Maulpoix 12.00-12.30 Uhr Magali Nieradka-Steiner (Heidelberg/Mannheim): „Alles war azurblau, nur nicht unser Gemüt“ – Deutschsprachiges Exil in Sanary-sur-Mer | Sektionsarbeit | |
Mittagspause | Mittagspause | |
Plenarvortrag
| Sektionsarbeit 14.30-15.00 Uhr | |
ab 14.30 Uhr | Kaffeepause | Kaffeepause |
Treffen der SektionsleiterInnen
| Sektionsarbeit 16.30-17.00 Uhr | Plenarvortrag |
Eröffnung | Kulturprogramm: | Mitgliederversammlung |
Empfang | Abendessen der Sektionen | Conference Dinner |